Bereits in der Bibel bildete sich mit dem Babylonischen Exil eine jüdische
Diaspora-Identität heraus: der "sche'erit haplejta" - "der Rest der
Versprengten" - jene Übriggebliebenen, die das Schlimmste erlebten, aber die
noch immer eine größere Vergangenheit bezeugen können und mit der Erinnerung
daran eine jüdische Zukunft aufbauen. Für Franz Rosenzweig stellte dieses
Bewusstsein einen notwendigen und positiven Baustein dar, um die jüdische
Existenz im 20. Jahrhundert wiederzubeleben.
Sind wir Juden in Deutschland heute auch "sche'erit haplejta"? Haben wir 60 Jahre nach der Schoa, vor dem Hintergrund unserer Erfahrungen, die Chance wieder ein selbstbewusstes Diaspora-Judentum aufzubauen? - Das waren die Leitfragen, unter die Rabbinerin Elisa Klapheck das Lernhaus in Göttingen am 18. April 2004 gestellt hatte.
Diskutiert wurden Texte aus dem Talmud, der Pessach Haggada und dem Dritten Teil von Rosenzweigs "Stern der Erlösung" (GS II, S. 455 f.): "Die Schechina, die Niederlassung Gottes auf den Menschen und sein Wohnen unter ihnen, wird vorgestellt als eine Scheidung, die in Gott selbst vorgeht. Gott selbst scheidet sich von sich, er gibt sich weg an sein Volk, er leidet sein Leiden mit, er zieht mit ihm in das Elend der Fremde, er wandet mit seinen Wanderungen." Elisa Klapheck dankte am Ende der Veranstaltung den Macherinnen und insbesondere der Vorsitzenden des Jüdischen Lehrhauses Göttingen für ihren Mut und ihre Beharrlichkeit: "Die Schechina zog auch nach Göttingen", schrieb sie uns in unser Gästebuch. Das Jüdische Lehrhaus dankt Elisa Klapheck nicht nur für ein besonderes und intensives Lernhaus, sondern auch für den ganz eigenen Beitrag, den sie zur Verbreitung und Entfaltung eines selbstbewussten Diasporajudentums in Deutschland leistet. |